Vorsprung durch Technik: Abschaffung des OEM-Privilegs (auch) für KFZ-Ersatzteile?
Neues Designschutzpaket der EU
Die EU plant derzeit ein umfassendes neues Designschutzpaket. Dieses sieht Änderungen an der Verordnung über Gemeinschaftsgeschmacksmuster („EU-Design“) sowie Änderungen der Richtlinie für die nationalen Designgesetze vor. Die Kommission, der Rat und das Parlament haben hierzu nun eine vorläufige Einigung erzielt. Der Vorschlag muss jedoch noch von den einzelnen Gesetzgebungsorganen formell angenommen werden. Die Verordnung könnte danach unmittelbar in Kraft treten. Für die Richtlinie ist eine Umsetzungsfrist von 36 Monaten vorgesehen. Die Änderungen sehen insbesondere eine Anpassung der Amtsgebühren, neue Amtsleistungen sowie das Verbot des Schutzes von Elementen des kulturellem Erbes von nationalem Interesse vor (so kann z.B. Trachtenkleidung zukünftig nicht mehr designrechtlich geschützt werden).
Reparaturklausel für Ersatzteile
Wichtigste Neuerung ist indes die unionsweite Harmonisierung des Schutzverbotes für Ersatzteile, die Teil eines komplexen Erzeugnisses sind, von dem die Erscheinungsform des Bauelements abhängt (sog. „Reparaturklausel“). Der EU-Gesetzgeber beabsichtigt damit einen leichteren Zugang zu Ersatzteilen für Verbraucher und eine Marktliberalisierung. Als maßgeblichen Anwendungsfall nennt die EU ausdrücklich den KFZ-Ersatzteilmarkt. Grundsätzlich ist der Klausel-Entwurf jedoch offen formuliert, sodass auch andere Anwendungsbereiche denkbar sind.
Praktisch ermöglicht die Klausel Drittherstellern Ersatzteile anzubieten, welche dem komplexen Erzeugnis (sprich: dem KFZ) wieder die ursprüngliche Erscheinungsform verleihen, sofern durch eine klare und sichtbare Angabe auf dem Erzeugnis über den Ursprung des Ersatzteils informiert wird. Ein designrechtlicher Schutz für solche Erzeugnisse wird nicht gewährt. Die Herstellerkennzeichnung soll dem Verbraucher eine fundierte Entscheidung darüber ermöglichen, welches der konkurrierenden Erzeugnisse für die Reparatur verwendet wird.
Ausblick
Der Gesetzesentwurf ist formell noch nicht verabschiedet. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich noch größere Änderungen ergeben. Für Drittanbieter von KFZ-Teilen scheint daher eine Erweiterung des Produktportfolios und ein neuer Marktzugang möglich. Ob sich dies jedoch zeitnah realisiert bleibt offen. Denn der Richtlinienentwurf sieht auch großzügige Übergangsvorschriften vor. So sollen nationale Designs, die bereits eingetragen sind, ungeachtet der Neuregelung noch bis zu 10 Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie Schutz genießen können. Die Anbieter der Originalersatzteile werden daher ggf. noch auf den nationalen Ebenen die letzte Möglichkeiten nutzen, um einen möglichst langen Schutzstatus zu erreichen. Für Neudesigns ist dies freilich nicht möglich. Auch die EU-Geschmacksmusterverordnung sieht für EU-Designs eine unmittelbare Wirkung soweit ersichtlich ohne Übergangsvorschriften vor.
Zusammenfassung
Die EU plant aktuell ein umfassendes neues Designschutzpaket. Dieses sieht insbesondere eine Reparaturklausel vor, nach der unionsweit kein designrechtlicher Schutz mehr für bestimmte Ersatzteile gewährt wird.
Für Drittanbieter, insbesondere von KFZ-Teilen, ergeben sich dadurch Marktchancen, da die Herstellung von bestimmten Teilen nicht mehr nur OEM vorbehalten ist. Die Reparaturklausel ist nicht auf den Bereich „automotive“ beschränkt, sodass sich auch weitere Anwendungsbereiche ergeben können.
Es ist jedoch zu erwarten, dass die Hersteller großzügige Übergangsvorschriften im Einzelfall dazu nutzen könnten, um einen längeren Schutzstatus zu erhalten. Die Gesetzesnovelle könnte sich im Einzelfalls also eher langfristig auswirken. Für Neudesigns gilt dies jedoch nicht.
Stand: 14.12.2023